Johnny Cash: The gift

Eine weitere Johnny-Cash
Doku. Obwohl der Mann
seit 16 Jahren tot ist,
wurde erstaunliches
ausgegraben. Der Film
bedient sich aller wohl
nur möglichen Archiven
sowie, als Faden, eines
bislang
unveröffentlichten
privaten Interviews, und
das zeigt den Menschen
und Künstler Johnny Cash
wie durch ein Prisma: Mit oder ohne Pathos, aber
immer so ehrlich, dass es weh tut.

YouTube Originals präsentiert The Gift: The
Journey of Johnny Cash. Johnny Cash ist einer der
Giganten des amerikanischen Lebens des 20.
Jahrhunderts. Aber seine Geschichte bleibt in
Mysterien und Mythen verstrickt. Diese
Dokumentation, die in voller Zusammenarbeit mit
der Kasse entstanden ist und reich an kürzlich
entdeckten Archivmaterialien ist, bringt Cash,
den Mann hinter der Legende, hervor. Ausgehend
von der bemerkenswerten Aufnahme im Folsom
Gefängnis als zentrales Motiv und Interviews mit
Familienmitgliedern und den engsten Mitarbeitern
untersucht der Film die künstlerischen Siege, die
persönlichen Tragödien, den Kampf gegen die Sucht
und die spirituellen Bestrebungen, die Johnny
Cash’s Leben prägten.“

Das ist keine Rezension im herkömmlichen Sinn,
sondern mein eigener Blick zurück, zum Beispiel,
als ich Ende 2016 eine Mail von Jennifer Troyer
bekam. Sie schrieb vom Plan dieser Produktion,
ich schrieb zurück, aber sie suchte
Privataufnahmen – Foto, Video – die noch nicht so
abgenudelt und verwertet waren, um, und da klang
sie überzeugend, ein nachzeitlich-neues Porträt
zu schaffen.
Da
wusste ich
nicht, dass
Thom Zimny
hinter diesem
Projekt
steckte. Ein
halbes Jahr
später hörte
ich wieder von ihr. Ich brauchte drei Monate, um
mich in das U.S.amerikanische Finanzsystem
einzuarbeiten, damit ich die benötigten
Unterlagen ausfüllen und einreichen konnte. Ein
halbes Jahr später schrieb mir der Internal
Revenue Service, kurz IRS, also die
Steuerbehörde, und wollte meine/eine gewerbliche
Steuernummer. Aber ich handelte nicht und hatte
auch kein Gewerbe. Nur, ohne Nummer ging es
nicht. Und mein Bruder weiß bis heute nicht, dass
er seitdem beim IRS als Steuerflüchtling gilt.

Ende 2017 schickte mir Jennifer Troyer das
Resultat der Auswahl, abermals mit Happy-New
Year-Wünschen, und Mitte 2018 kam das Geschenk.
Ein Scheck. Das wäre ein hübsches Ende. Viele
Objekte entstehen in der Idee und verschwinden im
nichts. Wenn die Idee den Weg zum Erfolg nicht
findet, sucht sie sich einen anderen.
Anfang 2019 grassierte das Gerücht einer neuen
Cash-Dokumentation. Youtube verfestigte dieses
Gerücht zur Wahrheit, und seit dem 11. 11. 2019
ist diese Dokumentation online. Mit einem
ehrwürdigen Titel: The Gift. Gott, wie göttlich
klingt das? Zuerst sah ich mir den Trailer an,
das war schlecht für mich. Denn fand ich einen
Punkt – für den kompletten Film – um mich selbst
in die Vergangenheit zu versetzen.

Alle relevanten Themen zum Leben des Johnny Cash
werden hier angesprochen, bzw. durch Interviews
von Zeitgenossen vertieft, und, was diese Doku
wertvoll macht, sie ist vom Zeitgeist überholt,
mit alten Bildern versetzt und in das Heute
interpretiert.
Szene: J.C. Kann ich ein Wasser haben? Aus dem
Publikum: Nimm doch einen Bourbon. J.C. Ich
trinke nicht mehr. Nicht weniger, aber auch nicht
mehr.
Ob Alkohol, Armut, Ruhm, Tablettensucht, Liebe,
Scheidung oder Kinder – vieles ist nicht so neu,
einiges aber tatsächlich und aus anderer Sicht.
Es fehlt der finanzielle Punkt, kein Wort
darüber, dass Cash mal (über die 80er Jahre) vor
der Pleite stand, dass er seine Band und
anschließend das Theater durchfüttern musste, all
die Leute seiner Show – wie beim Zirkus, sagte
Cash.

Je nachdem, welches Level man auf dem Johnny
Cash-Barometer erreicht hat, desto kritischer
wird die Resonanz auf eine „erneute
Neuerscheinung“: Johnny Cash starb am 12.
September 2003. Bücher und Bootlegs erschienen,
fürs schnelle Geld, und wem die Kamera nicht vom
Rücken fiel, der Stift nicht aus der Hand, machte
einen Film oder ein Buch über ihn. Die
Vermarktungsrechte aber sind in der Hand der
Familie, sie entscheiden letztendlich, ob sie
Qualität wünschen. Wie tief gräbt der
Totengräber, wie tief kommt er? Cash`s Erbe wird
von der Familie verwaltet, sie weiß, wie Familien
miteinander umgehen. Und das Bild, das ich mir in
Jahrzehnten aufgebaut habe, wird höchstens
bestärkt.