„In diesem Aufzug kommen Sie nicht rein“, ist eine gern verwendete Floskel, um die Klassenunterschiede hervorzuheben, und sei es im Spielcasino, das den Zutritt nur mit Schlips und Kragen gestattet. Doch hier geht es um ein über 2300 Jahre altes Transportmittel: Es ist überall dort verfügbar, wo der Mensch hoch hinaus möchte oder tief in einen Höllenschlund. Ob Mensch, Tier oder Last, was befördert werden musste, packte man in einen rechteckigen Kasten, der zuerst mechanisch, später mit anderen Kräften einen vertikalen Transport ermöglichte: Der Fahrstuhl.
Also den Blick fest auf die Anzeige gerichtet, ein Gespräch vermeidend, den Körperkontakt sowieso, den Anfall einer Klaustrophobie unterdrückend, steigt der Mensch mit befreiendem Gefühl aus der Enge, nur um einen Höhenunterschied ohne eigene Kraft zu bewältigen.
Schon die Römer nutzten diese Technik in ihrem Kolosseum, wo Gladiatoren, Sklaven und wilde Tiere darauf warteten an die Oberfläche gebracht zu werden. Nach erfolgreichem Duell verschwanden die Kadaver dezent in den Katakomben. König Ludwig 15. plagten dereinst keine Probleme des Komforts, sondern der Anonymität in Sachen Erotik. 1743 ließ er im Schloss Versailles von Blaise-Henri Arnoult einen privaten Aufzug installieren, auch fliegender Stuhl genannt. Es war tatsächlich ein Stuhl mit Flaschenzügen, in den sich die Mätresse setzte und in die nächste Etage zum König bis fast ins Bett katapultiert wurde.
Ab 1833 ging es im Bergbau mit dem Förderkorb/der Seilfahrt ebenfalls tief hinab, und während man die Arbeiter täglich an die Oberfläche hob, blieben die Grubenpferde bis zum Tod (oder Gnadenbrot) unten. Der so genannte Paternoster hatte seinen Vorteil darin, dass die Kabinen wie Perlen an einer Schnur aufgereiht waren und ständig fuhren, man konnte ihn ohne Wartezeit nutzen.
1854 stellte der Erfinder Elisha Graves Otis seinen ersten modernen Aufzug vor, der eine Fangvorrichtung besaß und von ihm persönlich demonstriert wurde, womit alle vorangegangen Sicherheitsbedenken ausgeräumt waren. Jetzt war es Zeit, neben der Effizienz auch die Bequemlichkeit zu steigern, man baute die Häuser immer höher, in denen Menschen wohnten, arbeiteten und hospitierten. Nachdem Elisha Graves die Otis Elevator Company im gleichen Jahr gegründet hatte, ist sein Unternehmen vermutlich für die Schaffung eines neuen Berufes verantwortlich, den Liftboy. Man hatte zwar Gottvertrauen, aber nicht in jede neue Technik. Dem neuen Menschen wurde das Vehikel ca. 12 Stunden lang zum täglichen Arbeitsplatz, seine Aufgabe bestand darin, andere Menschen komfortabel von einer Etage in die nächste zu bringen. Er musste den Lift so bedienen, dass man ihn ebenerdig betreten und verlassen konnte – keine stark geistige Tätigkeit. Aber er trug eine Uniform und rangierte auf der beruflich untersten Ebene. Manche Karrieren entstanden daraus.
Die Geschäftswelt wurde härter, die Zeit kostbar und der Luxus erquicklich, das Hotelgewerbe fand im Aufzug eine neue Annehmlichkeit, warum sollte ein gestresster Reisender noch die Etagen über eine Treppe zu Fuß bewältigen? Überhaupt, was der Adel gestern für sich beanspruchte, darf heute auch der Pöbel nutzen. Sex, Geburt, Mord, Krankheit, jedes Drama und jedes Vergnügen hat sich im Aufzug abgespielt. Dabei war der Raum immer klein, düster, stickig – je nach Mitfahrenden, und überschritt regelmäßig die Grenze der Intimsphäre. Später wurde er gläsern-durchsichtig und ein Symbol der Moderne, der sich selbst außen an der Fassade gen Himmel reckt. Ein Phallus der Gebäudetechnik.
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