John Lombe, ca. 1693 in Norwich/Großbritannien geboren, verschrieb sich dem Beruf des Seidenproduzenten. Auch sein Halbbruder Thomas Lombe sah die Woll- und Seidenweberei als einträgliches Geschäft. Doch das Know-how beherrschten die Italiener, und sie verteidigten es. Also beschritt John Lombe einen ähnlichen Weg wie dereinst zwei byzantinische Mönche, die im Jahre 522 die Seidenraupe aus China entführten, er wollte das Wissen der Technik auf eben diese Art und Weise nach Großbritannien holen.
Auf Industriespionage stand die Todesstrafe. Ein Hemmnis. Dafür sprach, bei Erfolg, die Aussicht auf Reichtum. Das Problem der Seidenweberei war die Herstellung starker Kettfäden - was die Italiener hervorragend meisterten und penibel darauf achteten, diesen technologischen Vorsprung zu halten. Das wollte John Lombe ändern. Er ließ sich von seinem Bruder finanziell ausstatten, schlüpfte in eine andere Rolle und reiste 1717 nach Livorno/Italien. Der Freihafen diente den Engländern als bedeutender Handelposten, sodass John ohne Aufsehen die richtigen Leute fand und ihnen gewisse Empfehlungen abkaufte. Sechs Tage später traf er in Lucca ein, und wurde bei einer Seidenspinnerei angestellt. Tagsüber bediente er die Maschinen, nachts vermaß und zeichnete er ihre Einzelteile. Ein gewisses Misstrauen, besonders Ausländern gegenüber, war allgegenwärtig. John schlich sich jede Nacht in die Fabrik und studierte bei Kerzenschein jedes einzelne Teilchen. Ob mangelnde Vorsicht oder dummer Zufall, jedenfalls wurde der 21-Jährige enttarnt. Doch er entkam seinen Häschern um Haaresbreite, ein englisches Handelsschiff nahm ihn rechtzeitig an Bord, mitsamt der Zeichnungen, die in Seidenballen versteckt waren.
Dann legten John und Thomas los: 1718 meldete Thomas das Patent an, sie mieteten Räumlichkeiten und produzierten. Die ersten Gewinne investierten sie sofort in den Bau einer modernen Textilfabrik, die 1720 in Derby entstand. Das Geschäft florierte, wenn auch nicht überpropotional. Der Bau hatte 30 000 Pfund verschlungen, es gab keine Reserven, dagegen aber Importschwierigkeiten von Rohseide, denn die Italiener waren nachtragend, zum Beispiel der König von Sardinien, der kurzerhand den Export von Seide verbot. Neue Bezugsquellen wurden gesucht. Und die mittlere Annehmlichkeit des Geldes konnte John nicht lange genießen, er starb 1722 unerwartet. So wie er sich in Lucca hatte anstellen lassen, so schickten ihm die Italiener eine Frau, die sich als Haushälterin bewarb. Todesursache: Vergiftung. Die Delinquentin allerdings reiste unbehelligt zurück nach Italien, denn strafrechtlich fehlten die Beweise.
1732 lief das Patent aus. Zwar wurde Thomas Lombe vom König mit 15 000 Pfund entschädigt, dafür musste er aber das Patent veröffentlichen. Lombe`s Fabrik wurde zum Vorbild moderner Seidenproduktion.
Was man heute weiß, und John Lombe damals nicht, ist eine Publikation von Vittorio Zonca, verfasst ca. 1620, in dem die Technik der italienischen Seidenweberei detailliert beschrieben wurde. Lombe hätte sich nur, statt nach Livorno, um die Ecke nach Oxford begeben müssen, zur Bodleian Library. Aber das Buch hat niemand gelesen.
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