Bleibt ein letztes Wort.
„Ganz normal“ sind die
Social-Beat-Gedichte, die
Hartmuth Malorny da
schreibt, und natürlich
auch wieder nicht. Denn
alles ist eine Frage der
Perspektive, weshalb ein
neuer Blickwinkel, den
Malorny immer wieder
sucht, das scheinbar
Normale als geradezu
verrückt erscheinen läßt
und das Verrückte als ganz normal.
Malorny verrückt gesellschaftlich Anerkanntes,
rückt zurecht und bringt durcheinander und
betrachtet und verzeichnet dann „Was übrig
bleibt“. Und das ist meist nicht viel mehr als
jede Menge Melancholie und der verzweifelte
Versuch, die eigene Sterblichkeit, das Leben und
alles, was dazugehört, zu ertragen.
Unglücklichsein ist jedenfalls um einiges
leichter als Glücklichsein.
In „Magie“ heißt es denn auch: „weil wir soviel
Glück nicht ertragen konnten.“ Malorny bewegt
sich „Außerhalb“ – außerhalb der Gesellschaft,
der Geschichte, des Systems. Fast alle der
Gedichte lassen durchscheinen, daß da einer auf
der Suche ist. Doch was sucht er? Den Sinn des
Lebens? Eine Utopie? Einen Glauben? In „Der
zerbrochene Spiegel“ wird das Leid der Menschen
benannt: „Dumm ist nur, dass die Mehrheit / der
Menschen ohne Glauben / keinen Sinn sieht. / Sie
brauchen eine Utopie, eine / Illusion, um nicht
verrückt zu / werden.“ Doch wenn die Illusion
sich erst verflüchtigt hat, bleibt nur noch das
„Warten“: „Manchmal, wenn nichts zu tun ist, /
hilft nur das Warten, / dieses endlose
Warten…“, das in letzter Konsequenz ein Warten
„auf den Tod“ ist. Bisweilen ist die Sehnsucht
zwar stärker, „… nur wonach ich / mich sehnte,
wusste ich nicht…“ Was dann bleibt ist der
Alkohol.
Malornys Gedichte sind Trinkergedichte ohne
Beschämung, ohne Schuldgefühle, sondern aus
Überzeugung, denn „Alkohol schafft letztendlich /
Fakten.“ Und viel zu verlieren hat so ein Mensch
ja schließlich auch nicht, denn Tote sind allemal
besser angesehen als Lebende: „Das können sie
gut, die Toten ehren und die / Lebenden mit Füßen
treten…“ Also gilt es, so gut wie möglich zu
überleben.
Worin letztendlich ja die Freiheit liegt, sich
das Leben selbst zu gestalten, sich jeglicher
Fremdbestimmung zu entledigen. „Es sind die
kleinen Fluchten, die / Nebensächlichkeiten, die
einen für Momente / überleben lassen“, die einen
über all die gescheiterten zwischenmenschlichen
Beziehungen hinwegtrösten. Denn das Leben ist
hart, das Leben ist „Die Unmöglichkeit, der
Tristesse zu entfliehen“. Leichter wird die
Flucht mit „Schnaps und Bier“, da kann man die
Schmerzen, das tägliche Leid und die verlorenen
Frauen wegspülen: „ich habe sie in einem Gedicht
begraben, / und dann noch ertränkt, / in Wein und
Bier“.
Schreiben ist gut. Gedichte müssen sein. Doch sie
sind nicht alles. Bleibt ein letztes Wort, ganz
am Ende des letzten Gedichtes: „Bier“. Wer sich
mit den Fakten des Alkohols nicht beschäftigen
mag, wer seinen Göttern und seinen Illusionen
vertraut und an der ihn einbindenen
Gesellschaftsform wahre Freude empfindet, sollte
lieber ein Bier trinken gehen, als diesen Malorny
zu lesen. Wer aber bisweilen an der Normalität
seines Daseins zweifelt, gerne den Dingen auf den
Grund geht und mit der Tristesse auch schon
Bekanntschaft gemacht hat, sollte sich unbedingt
einmal in dieses Bändchen mit Social-Beat-
Gedichten vertiefen. Es übersteht übrigens
problemlos die Kombination mit Alkohol, denn als
Hardcover-Ausgabe ist es geradezu unverwüstlich.
Susanne de la Fuente
Was übrig bleibt
Social-Beat-Gedichte
Wiesenburg Verlag, 2001
ISBN: 3-932497-53-8