Am Jahresende entsteht die Erinnerung an das, was
in den letzten 12 Monaten passiert ist. 1918
bleibt als Wendepunkt geschichtlich verankert:
Das Ende des Ersten Weltkrieges, der Niedergang
der absoluten Monarchie, der Beginn der
Spanischen Grippe und das Schicksal der SS
Florizel.
Es wurde viel gestorben, alles befand sich in
einem Umbruch. Über den Tod des Karolinasittichs
namens Incas, der im Zoo von Cincinnati/USA
verendete, wurde kein Aufheben gemacht, seither
gilt die einzige Papageienart Nordamerikas als
ausgestorben. Auch der neu gegründete Arbeitsrat
für Kunst hatte keine lange Verweildauer, er
wurde 1921 wieder aufgelöst, denn mit der
Forderung nach Befreiung von staatlicher
Bevormundung sowie dem Leitsatz, Kunst und Volk
müssen eine Einheit bilden, stießen sie in den
Wirren der Weimarer Republik auf wenig Interesse.
Max Planck hingegen lebt im Planckschen
Wirkungsquantum weiter, und wäre der Krieg nicht
gewesen, hätte er den Nobelpreis schon 1918
verliehen bekommen, so musste er ein paar Monate
warten.
Wie schon 1912
das Schicksal
der RMS Titanic
vom Eis
besiegelt
wurde, lief im
Februar 1918
die Florizel
auf ein Riff
vor Cape Race.
100 Passagiere und Besatzungsmitglieder
ertranken, 44 konnten gerettet werden – unter
ihnen der Kapitän. Die Florizel war ein moderner,
luxuriöser Dampfer mit verstärktem Bug, um das
Eis an den Küsten von Neufundland bequem
durchbrechen zu können. Seit dem Stapellauf 1908
änderte das Schiff seinen Zweck mehrfach; jeden
Frühling wurde zur Robbenjagd umgerüstet, und im
Krieg diente es als Truppentransporter.
Die letzte Fahrt der Florizel begann um 19 Uhr 30
Richtung Halifax und New York. 78 Gäste, davon 50
der ersten Klasse sowie eine Ladung im Wert von
800 000 Dollar, bestehend aus Hummer, Dorsch und
Hering, schipperten frohgelaunt unter dem
Kommando des 43-jährigen Kapitän William J.
Martin. Man war geschäftlich unterwegs, auf der
Gästeliste standen bekannte Namen des
Wirtschafts- und Finanzwesens – Manager,
Eigentümer und Direktoren. Unbeirrt des
Schneesturms und des hohen Wellengangs, tafelte
die illustre Gesellschaft auf Deck, während
Kapitän Martin die Orientierung verlor, er
glaubte, das Cap Race umrundet zu haben, befand
sich aber noch 45 Meilen vor dem Cap. Die Klippen
von Head Point hielt er für Eis und steuerte
darauf zu, um sie aus dem Weg zu räumen. Als
Martin seinen Fehler bemerkte, knallte es und die
Florizel lief auf Grund.
Zur Klärung des Unglücks folgte eine
Untersuchung, bei der 55 Zeugen befragt wurden.
Das Marinegericht kam zum Schluss, dass der
Kapitän den Kurs nicht ausreichend eingehalten
hatte, und suspendierte ihn für 21 Monate vom
Dienst. William J. Martin arbeitete fortan als Hafenkapitän in New York und starb 1939. Erst
nach seinem Tod wurde bekannt, dass es noch
jemanden gab, der eine wesentliche Schuld
am Unglück trug, nämlich der Chefingenieur der
Florizel, John V. Reader: dieser hatte aus
eigennützigen Dingen den Befehl des Kapitäns
ignoriert Höchstgeschwindigkeit aufzunehmen.
Deswegen legte das Schiff viel weniger Strecke
zurück, als man auf der Brücke glaubte. Readers
Kalkulation war simpel, je später das Schiff in
Halifax ankommt, desto größer die Chance, dass es
über Nacht vor Anker geht. So könnte er seine
Familie besuchen.
Aus dem Landgang wurde nichts, Reader war unter
den ersten, die bei der Kollision von einer Welle
erfasst und ins offene Meer getrieben wurden.
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